Gestalterischer Ansatz


Die Groteske 

„WO KÄMEN WIR HIN; WENN ALLE SAGTEN:WO KÄMEN WIR HIN; UND NIEMAND GINGE UM EINMAL NACHZUSCHAUEN; WOHIN MAN KÄME; WENN MAN GINGE.“ - Kurt Marti

Wo kämen wir hin, wenn derb-komische Gestalten mit zehn riesigen Köpfen mit uns am Tisch säßen?
Und wenn dieser Tisch dann samt unseres Mittagessens begänne, davon zu laufen?
Wenn die Grille die Welt beherrschen würde?
Wo kämen wir hin, wenn die Groteske den Mund öffnen und uns samt Haut und Haar verschlucken würde?

Um diese Fragen zu beantworten zu können, habe ich mich auf ein Experiment eingelassen.
Und meine Behauptung ist: Wir kämen einer Methode auf die Schliche, die dem Gestalter zur Innovationsfindung dient.
Das Adjektiv „grotesk“ wird in Meyers Lexikon definiert als verzerrt, stark übersteigert, absonderlich übertrieben, lächerlich wirkend, wunderlich, grillenhaft, sonderbar, überspannt und derb-komisch. Im Folgenden möchte ich Ihnen eine experimentelle Methode vorstellen und eine Produktserie, die durch deren Anwendung entstanden ist. Die Groteske dient als Grundlage der Methode.
DAS LEICHTE UND DAS SCHWERE

Milan Kundera thematisiert in seinem Thesenroman „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ das Phänomen
des Leichten und des Schweren. Die Schnittstelle zwischen dem Leichten und dem Schweren ist meines
Erachtens gut geeignet, um das Groteske zu erklären. Das Leichte und das Schwere sind Gegensätze. Der Mensch befindet sich auf einer ständigen Gradwanderung, beide Gegensätze in seinem Leben zu vereinen.
Auf der einen Seite droht das Schwere zu erdrücken, zu Boden zu pressen und nieder zu beugen. Auf der
anderen Seite verkörpert es aber das Bild intensiver Lebenserfüllung.

„Je schwerer das Gewicht, desto näher ist unser Leben der Erde, desto wirklicher und wahrer ist es.“ - Kundera.

Die völlige Abwesenheit von Gewicht ist das Sinnbild des Leichten. Wenn die Schwerkraft und das Gewicht
fehlen, entfernen wir uns von der Erde und somit vom irdischen Sein. Die Dinge werden unwirklich, die
Bewegungen frei und bedeutungslos. Das Leichte ist das Sinnbild von Freiheit auf der einen Seite, das von
Bedeutungslosigkeit und Unwirklichkeit auf der anderen Seite. Das schwerste Gewicht definiert Kundera als die „Ewige Wiederkehr“ (Nietzsche). Sie liegt in dem Phänomen, dass sich Dinge in gleicher oder abgewandelter Form wiederholen - wie ein immer wiederkehrendes Motiv, wie Normen innerhalb eines Systems. 

Demnach sind Normen und Motive das, was Schwere erzeugt, was dem menschlichen Handeln eine Bedeutung gibt - das Loslösen von Normen lässt das Schwere leicht werden und entzieht den Dingen zunächst einmal den Sinn. Das Groteske wird nun erzeugt, indem man mit Normen bricht und befindet sich somit genau an der Schnittstelle, an der das Schwere leicht wird.

„LERNE DIE REGELN GUT, DAMIT DU SIE RICHTIG BRECHEN KANNST.“ Dalai Lama.

Die Groteske taucht in der Produktgestaltung im Bereich der Produktsprache auf. Daher gibt es drei verschiedene Formen der Verfremdung. Diese Formen beziehen sich auf die Funktion des Grotesken im jeweiligen Produkt: zweckmäßig, formalästhetisch oder inhaltlich / symbolisch. 

Das Ergebnis selbst kann, aber muss nicht grotesk sein. Das Groteske kann in die drei folgenden Bereiche zielen: den Schaffensvorgng, das Werk und die Aufnahme. 

Für den Produktgestalter dient die Groteske als experimentelle Innovationsmethode. Das Hinterfragen quasi feststehender Tatsachen ermöglicht ein Loslösen von Gewohntem und bietet somit eine Basis, auf der Neues und Innovatives entstehen kann.

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